Rund 70 Patienten des Eduardus-Krankenhauses und etwa 180 Senioren aus zwei Altenheimen wurden wegen der Entschärfung von Weltkriegsbomben evakuiert.
„Trinke Kölsch, wenn es vorbei ist“So lief die Evakuierung des Eduardus-Krankenhauses in Deutz

Von der Evakuierung betroffen war auch das Eduardus-Krankenhaus in Deutz.
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Galina Razyeva macht einen unbeschwerten Eindruck, als sie ein Rettungssanitäter durch den Eingang der Zentralen Notaufnahme mit dem Rollstuhl zum Krankenwagen schiebt. Sie hat eine Tüte mit Proviant dabei. „Ich habe vollstes Vertrauen hier in das Team“, sagt die 55-jährige Kölnerin. Sie war wegen einer Hüft-OP im Eduardus-Krankenhaus in Deutz in stationärer Behandlung. Am Mittwochmorgen ist sie eine von rund 70 Patientinnen und Patienten, die wegen der Entschärfung dreier Blindgänger in Deutz das Krankenhaus verlassen müssen.
Die meisten sind liegende Patienten, darunter auch einige aus der Intensivstation. Ein Patient muss während des Transports beatmet werden, fünf sind akut infektiös und brauchen Schutzkleidung wie Kittel und Mundschutz. Ein Großteil der Patienten mit weniger kritischen Krankheitsbildern ist bereits Dienstagabend entlassen worden. Razyeva kommt in die Uniklink. Auch die Kliniken der Stadt Köln in Merheim, das Severinsklösterchen in der Südstadt und das Evangelische Krankenhaus in Kalk nehmen Patienten auf, dafür mussten sie Betten freimachen. Um 13.30 Uhr ist das Krankenhaus schließlich geräumt.
Evakuierung: Patienten werden stationsweise auf vier Kölner Kliniken verteilt
Jörg Seemann von der Kölner Feuerwehr ist am Mittwoch der Abschnittsleiter für das Krankenhaus. Er hält um kurz nach acht Uhr mehrere DIN A3-Seiten in der Hand: In diesem Plan steht, welche Patienten in welches Krankenhaus gebracht werden, sie sind nach Stationen eingeteilt. Die Intensivpatienten etwa müssen ins Severinsklösterchen.
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Die erste Patientin wird in einen Rettungswagen gebracht. Die Evakuierung des Eduardus-Krankenhaus ist gegen 9.15 Uhr gestartet.
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„Die Patiententransportzüge bestehen aus bis zu zehn Rettungswagen, die bringen die Patienten gesammelt in eine Klinik und kommen dann wieder her und dann geht es zur nächsten Klinik. Das wird einige Stunden dauern“, erklärt Seemann. Um 8.20 Uhr sind die Rettungswagen noch nicht eingetroffen: Weil es nicht genügend Fahrzeuge in Köln gibt, hat die Feuerwehr Rettungswagen unter anderem aus Aachen und Euskirchen geordert. „Wir haben ja schon die ein oder andere Bombe mitgemacht, im Riehler Altenheim waren wir ein paar Mal, in Merheim. Das Eduardus-Krankenhaus ist super vorbereitet, weil es die Evakuierung im Vorfeld planen konnte“, sagt Seemann und nimmt noch einen Schluck Kaffee. „Ich bin entspannt. Wenn eine Bombe spontan gefunden wird, ist der Stressfaktor höher.“
Ein bisschen aufregend sei es für Personal und Patienten dennoch, sagt Gertrud Wenz, Leiterin der Hauswirtschaft. „Wir wissen ja noch nicht, in welches Krankenhaus die Rettungswagen zuerst fahren. Die Kollegen beruhigen gerade die Patienten.“ Ein Teil der Verwaltungsmitarbeiter sei im Home-Office, der andere packe in den Stationen mit an: Sie stehen in den Fluren Schlange und schieben die Patienten der Reihe nach hinaus. „In Kalk wurde eine Station für uns freigemacht, unsere Pfleger gehen mit, um die Menschen vor Ort zu betreuen.“

Um kurz vor 9 Uhr sind zehn Krankenwagen eingetroffen. Da es nicht genügend Fahrzeuge in Köln für alle Einsätze gibt, mussten auch Fahrzeuge aus dem Umland wie Euskirchen und Aachen geordert werden.
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Um kurz vor neun Uhr treffen schließlich die Rettungswagen ein und bilden eine Kolonne. Der Leiter der Feuerwehr, Christian Miller, ist ebenfalls angekommen und macht sich ein Bild vor Ort: „Das Krankenhaus ist einer der Einsatzschwerpunkte. Ich habe im Vorfeld mit Patienten gesprochen. Das Gute ist, dass wir 48 Stunden Vorlauf hatten. Wir sind gut vorbereitet.“ Für die gesamte Evakuierung seien 500 zusätzliche Einsatzkräfte aus dem Umland und der Freiwilligen Feuerwehr aktiviert worden. 250 Einsatzkräfte sind weiterhin für die normale Grundversorgung in Köln zuständig, so Miller.
Der Ärztliche Direktor des Eduardus-Krankenhauses, Professor Axel Jubel, freut sich schon darauf, wenn die Evakuierung und der Rücktransport der zum Teil hoch pflegebedürftigen Menschen geschafft sind. „Dann wird ein Glas Kölsch getrunken.“ Es laufe alles nach Plan. „Die Patienten sind sehr gut informiert und kommen nun an die frische Luft. Es sind so viele Details, man muss hier flexibel auf die Situation reagieren, aber wir sind positiv gestimmt.“ Der erste Patiententransport startet um 9.20 Uhr, am frühen Nachmittag sind alle Überführungen abgeschlossen.
Evakuierung von zwei Seniorenheimen: Mit dem KVB-Bus zum nächsten Heim
Ruhe und Fingerspitzengefühl ist auch in den zwei betroffenen Altenheimen St. Heribert in Deutz und St. Georg am Georgsplatz gefragt. Im Caritas-Altenzentrum in Deutz müssen 105 Personen die Einrichtung verlassen, in St. Georg 75. Die Senioren von St. Heribert können die Zeit bis zur Entschärfung in den Heimen St. Josef in Porz, St. Josef in Mülheim und St. Maternus in Rodenkirchen verbringen. Um 12.10 Uhr ist die Evakuierung hier abgeschlossen.

Die KVB hat zwei Busse zur Evakuierung des Seniorenheims St. Heribert in Deutz gestellt: In diesen konnten Personen einsteigen, die noch mobil sind. Ein Großteil, auch schwer pflegebedürftige Senioren, wurden mit Rettungswagen auf drei andere Caritas-Altenheime in Köln verteilt.
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Zwei Busse hat die KVB zur Verfügung gestellt für jene, die noch mobil sind. Die hilfsbedürftigen, liegenden Senioren werden mit dem Krankenwagen transportiert. „Wir legen sehr großen Wert darauf, dass die Bewohnenden von vertrauten Gesichtern, den Pflegern, und anderen Menschen aus ihrem Heimumfeld begleitet werden“, sagt Michaela Kiewardt, Leiterin der stationären Pflege der Caritas. Sie werde bis zum Schluss im Einsatz sein; für den Fall, dass der Rücktransport am Abend oder in der Nacht nicht mehr klappen würde, gebe es einen Plan. „Wir haben zwar nicht für jeden ein komplettes Bett in den Einrichtungen, aber für jeden eine Liegemöglichkeit wie Matratzen oder Sofas“, so Kiewardt.
Auch in der Geschäftsstelle der Caritas-Betriebsführungsgesellschaft stehen Siesta-Stühle parat. „Von den 75 Bewohnern von St. Georg sind einige jetzt bei uns in der Geschäftsstelle in der Leonhard-Tietz-Straße. Sie spielen Spiele, essen, ihre Betreuer sind vor Ort. Falls nötig, können wir Betten und Matratzen organisieren“, sagt Sprecherin Anja Leipholz. Einige Bewohner werden auch ins Seniorenheim nach Monheim gebracht.

Blick vom Altenzentrum St. Heribert in Deutz: Die Senioren wurden mit Bussen und Krankenwagen transportiert.
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Mittags kann der Krankentransport von neun Menschen noch nicht starten, weil das Rechtsrheinische Priorität habe, so Leipholz. „Wir schaffen das. Die Menschen haben das gut gemeistert, auch wenn es für manche Personen mit demenziellen Veränderungen nicht einfach ist. Aber bekanntes Personal ist bei ihnen.“